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Glaube, der unter die Haut geht
Pfarrer Jan Vicari über die Tattoo-Aktion in der Marktkirche
Essen, 22.11.2025. Im Rahmen der ökumenischen Aktion „Gott hautnah“ haben sich 30 Christinnen und Christen am 22. November in der Martkirche ein kostenloses Glaubenstattoo stechen lassen. Den Teilnehmerinnen und Teilnehmern stand eine Auswahl von 30 Motiven in der Größe von maximal einer Zwei-Euro-Münze zur Verfügung. Die Initiative stieß auf großes Interesse, wie Citykirchenpfarrer Jan Vicari im Interview mitteilte.
Wie viele Personen haben sich tätowieren lassen?
Wir konnten am Samstag gut 30 Personen ein Glaubenstattoo schenken, davon je zur Hälfte mit festem Termin oder nach einer stündlichen Verlosung vor Ort. 135 Menschen hatten sich zuvor um die Plätze beworben und uns dafür erzählt, was ihnen das bedeuten würde. Für manche war es ein weiteres Tattoo zu mehreren anderen, für viele war es aber ein erstes Tattoo überhaupt.
Was waren häufige Motive?
Im Rahmen des ökumenischen Aktionstags konnten wir nur kleine einfache Motive stechen. Hier waren Kreuze und Fische, Engel, die Trias Kreuz-Herz-Anker oder Alpha und Omega am beliebtesten. Aber auch dreimal ein Schaf – mit Psalm 23 oder der Geschichte vom verlorenen Schaf im Ohr. Die Motive waren also eher klassisch. Die Geschichten dahinter aber waren ganz individuell, zu welcher Glaubenserfahrung es das passende Symbol ist.
Diese Tattoos stehen für ihre Träger für erfahrenen Trost und Kraft in Krisenzeiten, für prägende Beziehungen, immer wieder auch für Erinnerung an Verstorbene, oder für Bibelworte, die sie seit langem begleiten. Die Auswahl haben wir als Seelsorger begleitet. Nahezu alle wollten dann auch gerne am Abschluss persönlich gesegnet werden.
Wer waren die Tätowierer?
Yvonne Karbach vom Cocoon Tattoo Studio Essen hat die Aktionswoche mit uns über mehrere Monate hinweg entwickelt und am Tag dann auch tätowiert. Außerdem unterstützte uns kurzfristig eine weitere Essener Tätowiererin, Leila Mias.
Welche Menschen fühlen sich angesprochen: vor allem kirchennah oder eher kirchenfern?
Die Aktion hat erstaunlich verschiedene Menschen angesprochen, junge Mitzwanziger bis hin zu Seniorinnen, kirchlich Engagierte wie Distanzierte, mehr Frauen als Männer. Sie alle fühlen, dass der Glaube tief zu ihrem Leben dazugehört. Ob sie nun Kontakt zu kirchlichen Angeboten haben oder nicht: Sie wollen die Kraft des Glaubens niemals verlieren. Das sollten wir als Kirche anerkennen.
Gab es auch kritische Stimmen – und wie gehen Sie damit um?
Uns persönlich haben fast nur positive Reaktion erreicht. Natürlich haben uns manche Menschen gesagt, dass das für sie nichts ist, weil sie kein Tattoo tragen möchten. Aber auch sie konnten meist verstehen, dass es für andere Menschen ein starkes Zeichen sein kann.
Was war der ursprüngliche Impuls, eine solche Tattoo-Aktion in einem kirchlichen Raum anzubieten?
Unsere Tätowiererin Yvonne Karbach war über einen befreundeten Gastronomen auf uns zugekommen. Aus eigener Überzeugung heraus fand sie es toll, Tattoos zum Glauben zu verschenken. Kirchen in anderen Städten haben das ja schon gemacht, in Essen war es jetzt erstmals ökumenisch mit passenden Gottesdiensten und kulturellem Begleitprogramm.
Wir beobachten ein großes Bedürfnis, dem eigenen Glauben auch im Erwachsenenalter sichtbar und bleibend Ausdruck zu verleihen. Wer den Glauben bewusst zum Teil seiner Lebensgestaltung macht, möchte das oft als Teil von sich „für immer“ festhalten. Mich beeindruckt es, wenn Menschen sich wortwörtlich etwas „unter die Haut gehen lassen“.
Als Erinnerung für sich selbst oder als Zeichen nach außen – ein Tattoo hat da wohl verschiedene Aspekte. Taufe und Konfirmation liegen ja oft lange zurück, vielen fehlt eine Erinnerung an die eigene Taufe. In Zeiten, wo der Glaube eine unter vielen Optionen ist, wird es aber möglicherweise wichtiger, diese Entscheidung einprägsam zu inszenieren. Ich vermute, dass wir mit unseren kirchlichen Ritualen da eine Lücke haben – vereinfacht gesagt: ein Wasserkreuz auf die Stirn als Tauferinnerung ist als Symbol doch deutlich schwächer...
Planen Sie eine Wiederholung der Aktion?
Wir sind sehr zufrieden und werden jetzt überlegen, wie es weitergehen kann.
Zum Bericht von Thomas Rünker, Bistum Essen »
