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Kirche und Diakonie trauern um Pfarrer i.R. Günter Herber

Trauerfeier am 25. Oktober 2025

Essen, 14.10.2025. Die Evangelische Kirche und ihre Diakonie trauern um Günter Herber: Der erste hauptamtliche Essener Diakoniepfarrer und spätere Sozialdezernent der Stadt Essen ist am 24. September im Alter von 90 Jahren verstorben. Die Trauerfeier mit anschließendem Beisammensein findet am Samstag, 25. Oktober, um 12 Uhr in der Kreuzeskirche, Kreuzeskirchstraße 16/Ecke Weberplatz, statt. Die Urnenbeisetzung erfolgt zu einem späteren Zeitpunkt in kleinem Kreis in der St. Paulikirche in Soest.

Günter Herber wurde am 23. Oktober 1934 in Wattenscheid geboren und wuchs in einer Bergarbeiter-Familie auf; schon früh engagierte er sich in der kirchlichen Jugendarbeit. Nach dem Abitur studierte er Theologie in Wuppertal, Göttingen und Münster, war Hilfsprediger in der damaligen Gemeinde Wanne-Süd und wurde dort am 26. Januar 1964 als Pfarrer eingeführt. Während seiner insgesamt 16jährigen Tätigkeit in Wanne war er u.a. Diakoniebeauftragter und Vorsitzender des Gesamtausschusses der Kirchengemeinden im Stadtteil Wanne-Eickel, Vertreter der Diakonie im Jugendwohlfahrts- und Sozialausschuss sowie Leiter der Arbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtsverbände.

AUS WANNE-SÜD NACH ESSEN

An die dabei gesammelten Erfahrungen konnte Günter Herber anknüpfen, als er am 1. Februar 1979 als erster hauptamtlicher Diakoniepfarrer die Leitung des Diakonischen Werkes des damaligen Evangelischen Stadtkirchenverbandes Essen übernahm. Dort fand er eine kleine, bislang vor allem auf die Beratung an verschiedenen Orten konzentrierte Arbeitseinheit vor und begann mit großem Engagement, die diakonischen Arbeitsfelder in Essen miteinander zu verzahnen und auszubauen. So warb er unermüdlich darum, dass sich Kirche und Diakonie an der damals im Aufbau befindlichen ambulanten Pflege beteiligen müssten und betrieb die Gründung der ersten fünf Essener Diakoniestationen, mit denen damals auch vier mobile soziale Dienste für die hauswirtschaftliche Betreuung älterer Menschen verbunden waren.

Eine enge Verbindung von Diakonie und Gemeindeleben war ihm dabei eine Herzensangelegenheit; die Kirchengemeinden betrachtete er als unverzichtbare zweite soziale und geistliche Heimat für Menschen, die der Hilfe der Diakonie bedürfen.

Eine weitere Aufgabe erkannte er darin, das Evangelische Heimstättenwerk, Vorläufer des heutigen Diakoniewerks Essen, stärker in die Essener Kirche und Diakonie einzubinden. Als Mitglied des Vorstands steuerte er die Geschicke der Einrichtung mit und brachte wegweisende personelle und strukturelle Entscheidungen auf den Weg. Dass das Heimstättenwerk als eigenständiger Verein unabhängig blieb und gleichzeitig eine enge Vernetzung mit dem Stadtkirchenverband und Diakonischem Werk gelang, ist wesentlich auf Günter Herbers umsichtiges Handeln zurückzuführen.

STEIGENDE ARBEITSLOSIGKEIT ALS HERAUSFORDERUNG

Ein weiteres großes Arbeitsgebiet der Diakonie entstand durch die seinerzeit stark wachsende Arbeitslosigkeit. Immer wieder prangerte Günter Herber die damit einhergehende „Neue Armut“ öffentlich an. Als Gründungsgeschäftsführer der „Neue Arbeit der Diakonie Essen gGmbH“ rief er 1980 die erste kirchliche Beschäftigungsgesellschaft in Nordrhein-Westfalen ins Leben. Außer 86 sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplätzen für Menschen, die auf dem ersten Arbeitsmarkt keine Anstellung finden konnten, gehörte bald ein – in Essen bis dahin einzigartiges – Arbeitslosenzentrum mit umfangreichen Beratungsmöglichkeiten zu den Angeboten der neuen Gesellschaft.

Bei seinen Besuchen und Predigten in den Essener Kirchengemeinden wies Günter Herber aber stets auch darauf hin, dass sich die Not von arbeitslosen Menschen nicht auf die finanzielle Situation beschränke, und beschrieb in eindringlichen Worten die seelischen Folgen von Armut und Wohnungslosigkeit.

Nicht zuletzt engagierte er sich in zahlreichen kirchlichen und diakonischen Gremien weit über die Stadtgrenzen hinaus; so war er unter anderem Mitglied im Hauptausschuss des Diakonischen Werkes und im Arbeitskreis „Arbeitslosigkeit“ der Evangelischen Kirche im Rheinland. In dem auf seine Initiative hin auf der landeskirchlichen Ebene gegründeten Fachverband „Arbeit und Ausbildung“ für Träger mit gemeinnützigen Arbeits- und Ausbildungsplätzen hatte er viele Jahre den Vorsitz inne.

1986 schied Günter Herber aus seinem Amt als Diakoniepfarrer aus, nachdem ihn der Rat der Stadt Essen zum Sozialdezernenten gewählt hatte. „Durch ihn hat die Diakonie in Essen viele Impulse und ein entsprechendes Gewicht erhalten“, hieß es im damaligen Jahresbericht des Stadtkirchenverbandes.

DEN PFARRER AUCH IM SOZIALDEZERNENTEN SPÜRBAR MACHEN

Am 23. April wurde Günter Herber als Sozialdezernent der Stadt Essen vereidigt. Für das Amt nominiert hatte ihn die SPD, in die er 1980 eingetreten war. Seinem wichtigsten Ziel, allen Bürgerinnen und Bürgern der Stadt „ein Stück menschenwertes Leben zu ermöglichen“, könne er als Sozialdezernent zu noch größerer Wirksamkeit verhelfen, erklärte er in einem Interview, das am Tag seiner Vereidigung in der WAZ Essen erschien. Auch wolle er erreichen, dass die „die hiesige Verwaltungsmaschinerie ein Stück menschlicher wird. Es soll sichtbar werden, dass die Mitarbeiter nicht über Fälle befinden, sondern über die Not des einzelnen“, sagte er der evangelischen Wochenzeitung DER WEG (Nr. 17/1986).

Seinem bisherigen Beruf blieb er auch in der neuen Position weiter eng verbunden: Offiziell sei er jetzt zwar „Pfarrer a.D.“, doch habe er seine Ordinationsrechte behalten und werde regelmäßig im Wechsel mit den Kollegen auf der Kanzel der Kreuzeskirche predigen. „Ich kann auch als Beigeordneter meine Wurzeln in der Kirche nicht vergessen und hoffe, dass der Pfarrer auch in dem Sozialdezernenten spürbar wird“, sagte er in dem bereits erwähnten WAZ-Interview.

„Sein besonderes Engagement an der Spitze der Sozialverwaltung galt damals den Menschen, die ohne Beschäftigung waren und Probleme hatten, auf dem Arbeitsmarkt Fuß zu fassen“, würdigt der amtierende Oberbürgermeister Thomas Kufen in einem Kondolenzschreiben an die Angehörigen des Verstorbenen dessen Verdienste. „In welchen Bereichen er auch seinen Dienst versah, er tat es mit Hingabe und Leidenschaft.“ So habe Günter Herber Spuren hinterlassen, als Sozialdezernent und Pfarrer, und sei vielen Essenerinnen und Essenern bis heute in guter Erinnerung geblieben. 13 Jahre lang, bis 1999, bekleidete Günter Herber das Amt an der Spitze der städtischen Sozialverwaltung.

DER DIAKONIE BIS ZULETZT VERBUNDEN

Dem Grundgedanken der Diakonie, dem Einsatz für benachteiligte Menschen, blieb er bis zuletzt verbunden. Bis 2019 gehörte er dem Diakoniewerk Essen e.V. als Mitglied an, von 1999 bis 2001 war er erneut Geschäftsführer und von 2001 bis 2010 Vorsitzender der Gesellschafterversammlung der „Neue Arbeit der Diakonie Essen“. Auch in anderen sozialen Funktionen, zum Beispiel bei der Initiative „Paten zur Arbeit“, wirkte er noch lange segensreich mit.

„Günter Herber hat der Evangelischen Kirche und ihrer Diakonie in Essen einen großen Dienst erwiesen“, schreibt der heutige Diakoniepfarrer Andreas Müller in seiner Würdigung. „Als erster hauptamtlicher Diakoniepfarrer in Essen hat er wichtige strukturelle Veränderungen in der Essener Diakonie selbst auf den Weg gebracht oder maßgeblich initiiert und vorbereitet. Er hat sich dabei nicht allein die Verbindung zwischen Kirche und Diakonie zur Aufgabe gemacht, sondern widmete sich in einer Zeit, in der der Strukturwandel zu einer Massenarbeitslosigkeit führte, sehr praktisch den sozialen Herausforderungen in unserer Stadt.“

Unser Titelbild entstand beim Neujahrsempfang des Kirchenkreises Essen 2022 in der Marktkirche, anlässlich der Eröffnung des Jubiläumsjahres "100 Jahre Diakonie in Essen". Foto: Kirchenkreis Essen/Alexandra Roth.

 

 

 

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