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Kontrovers, offen und friedlich
Kirchenparlament der Evangelischen Kirche im Rheinland tagte in Bonn
Essen, 07.02.2025. Mit einer Abendmahlsfeier ist am Freitag die 79. ordentliche Landessynode der Evangelischen Kirche im Rheinland zu Ende gegangen. Sechs Tage lang wurde intensiv beraten, debattiert, abgestimmt und gewählt. Wo Sie die wichtigsten Beschlüsse nachlesen können und wie die Essener Mitglieder der Landessynode auf die Tagung zurückblicken, lesen Sie nachfolgend.
WICHTIGE ENTSCHEIDUNGEN IM ÜBERBLICK
Einige Schlaglichter: Die Synode hat die Weichen für einen theologischen Bildungscampus in Wuppertal gestellt, der akademische Fachlichkeit und Praxisnähe in der Weiterbildung verbinden und die Sprachfähigkeit christlichen Glaubens bei beruflich und ehrenamtlich Mitarbeitenden stärken soll. Sie wählte haupt- und nebenamtliche Mitglieder der Kirchenleitung - so wird nach Helga Siemens-Weibring (Rüttenscheid) mit Prof. Lorenz Narku Laing (Emmaus-Gemeinde) ein weiteres Essener Mitglied der Kirchenleitung angehören. Außerdem wurden Regelungen zum Schutz vor sexualisierter Gewalt gesetzlich verankert. In einem neuen Dialogformat mit der jungen Generation hat sie sich auf den Weg gemacht, rassismusärmer zu werden.
Die Landessynode positionierte sich in der aktuellen Migrationsdebatte. Und sie bekannte sich schuldig, queere Menschen in der Kirche diskriminiert zu haben. Nicht zuletzt will sie sich in den kommenden Jahren mit tiefgreifenden Veränderungen wie der Anpassung des Pfarrberufs an neue Herausforderungen, mit dem Reformprozess zur Zukunft von Kirche und Gemeinde sowie Einsparungen in Millionenhöhe auf landeskirchlicher Ebene zukunftsfähig aufstellen. Wie haben die Essener Mitglieder der Landessynode die Beratungen erlebt? Wir haben bereits einige Stimmen gesammelt, die in den nächsten Tagen ergänzt werden:
MARION GREVE, SUPERINTENDENTIN DES KIRCHENKREISES ESSEN:
Was mich besonders beeindruckt hat: Dass wir nicht nur über Vielfalt und Diversität geredet, sondern beides bis hinein in die Wahlen der Kirchenleitung konkret umgesetzt haben. Mit der Wahl von Professor Lorenz Narku Laing haben wir einen historischen Moment erlebt – als schwarzer Deutscher ist er ein sichtbarer Vertreter für viele Menschen mit Migrationsgeschichte.
Was ich kritisch sehe: Der Sitzungsmarathon mit sechstägigem frontalem Zuhören ist belastend. Ich wünsche mir eine kreativere Arbeit in Bewegung.
Was war besonders gelungen: Wir haben nach kontroversen intensiven Diskussionen in den Ausschüssen miteinander zu einmütigen Entscheidungen für die Zukunft unserer Kirche gefunden. Wir haben nötige Einsparungen beschlossen, die uns trotzdem neue Wege hin zu einer Kirche in gemeindlicher Vielfalt eröffnen. Ein gutes Aufeinander-Hören und der Respekt vor anderen Positionen haben unsere Beratungen im Plenum getragen.
HENNING ARETZ, NICHTTHEOLOG. MITGLIED FÜR DEN KIRCHENKEIS ESSEN (IN VERTRETUNG):
Es beeindruckt mich, wie viele Menschen ich auf der Landessynode schon kenne und wie freundlich mir viele begegnen, die genau wissen, dass sie andere politische Prioritäten haben. Die Bonner Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen (ACK) erkannte mich nach 40 Jahren wieder und sprach mich an; es folgten lange schöne Gespräche. Der Präses gratulierte mir mit Handschlag dazu, dass ich nicht auf dem Bundesparteitag der CDU in Berlin war, sondern stattdessen hier bei meiner Kirche. Ebenso ein Alt-Präses.
Die Beratungen im Kirchenordnungs-Ausschuss hatte ich mir viel langweiliger vorgestellt. Kritisch sehe ich die politische Einseitigkeit der Landessynode. Lange hatte ich nicht mehr so deutlich von der "Errungenschaft Lieferkettengesetz" gehört wie heute hier. Aber der Präses und der Vorsitzende des Ständigen Ausschusses für Öffentliche Verantwortung – und andere auch – werben glaubwürdig für die Breite der Kirche und Respekt gegenüber Andersdenkenden. Das tröstet.
Die jahrelangen Beratungen zur Zukunft der Kirchlichen Hochschule in Wuppertal haben gestern Abend zu der schmerzlichen Entscheidung geführt, den Hochschulbetrieb zum 31. März 2027 zu beenden – aber auch dazu, dass dieser Beschluss eine große Mehrheit fand. Das stärkt die Position der Landeskirche in den anstehenden Verhandlungen mit möglichen Kooperationspartnern in dem beabsichtigten neuen theologischen Bildungscampus.
THOMAS CASPERS-LAGOUDIS, NICHTTHEOLOG. MITGLIED FÜR DEN KIRCHENKREIS ESSEN:
Was mich besonders beeindruckt hat: Unsere Kirche steht klar in der Sache zur Menschlichkeit und wird diverser im Auftreten. Das erfreut mein Herz gerade in den aktuell schwierigen Zeiten.
Was ich kritisch sehe: Unsere Kirche ist schwerfällig – vor allem aufgrund alter Strukturen. Es ist uns bewusst, das radikale Änderungen notwendig sind, aber mir bereitet mir Sorge, dass wir zu langsam sein könnten.
Was besonders gelungen ist: Das kontroverse, aber immer offene und friedliche Miteinander. Wir schaffen es, zu komplexen Themen auch komplexe und profilierte Antworten zu finden.
PFARRER DAVID GABRA, THEOLOGISCHES MITGLIED FÜR DEN KIRCHENKREIS ESSEN:
Es ist meine erste Landessynode, an der ich teilnehme, uns sie war bislang beeindruckend voll. In einer Zeit, die sowohl politisch als auch kirchlich von Herausforderungen und Ängsten geprägt ist, ist es mir ermutigend zu erleben, wie sie sich die Synode mutig mit dem Thema Rassismus auseinander setzte, sich für die Diversität und Vielfalt klar positionierte. Gleichzeitig hat sie schwierige und nötige Entscheidungen für unsere Zukunft getroffen. Ich freue mich und bin dankbar, Teil dieser Synode zu sein.
PFARRERIN JULIANE GAYK, THEOLOGISCHES MITGLIED FÜR DEN KIRCHENKREIS ESSEN:
Was mich besonders beeindruckt hat: Der Rechtsruck in Deutschland macht mir Angst. Klare Sätze in synodalen Beschlüssen wie „Der Platz von Christinnen und Christen bleibt an der Seite der Schutzsuchenden.“ nähren meine Hoffnung, dass wir zusammen dem zunehmenden Hass mit der Liebe Christi trotzen können.
Was ich kritisch sehe: Schade finde ich, dass die Gestaltung der Synode noch nicht sehr vielfältig ist. Ich wünsche mir vielfältigere Sprache und Lieder in den geistlichen Formaten. Kreative Formate des gemeinsamen Arbeitens, die zur Beteiligung einladen, würden unsere zukünftige synodale Arbeit schöner und effektiver machen.
Was besonders gelungen war: Die Veröffentlichung der Forumstudie zur sexualisierter Gewalt in der evangelischen Kirche hat sich gerade gejährt. Dass wir die Kirche zu einem sichereren Ort für alle machen wollen, wurde bei dieser Synode auch durch das neu eingerichtete "Awareness-Team" erlebbar. Dieses Team hat für diskriminierendes Verhalten sensibilisiert, indem es Betroffene unterstützt hat und ansprechbar war.
HELGA SIEMENS-WEIBRING, NEBENAMTL. MITGLIED DER KIRCHENLEITUNG:
Mich hat besonders der Beitrag beeindruckt, den die Evangelische Jugend verantwortet hat: das Miteinander-ins-Gespräch-kommen der so unterschiedlich geprägten Synodalen zum Thema Rassismus. Das abendliche Gespräch, an dem auch Jugendliche aus Bonner Schulen teilgenommen und sich dabei sehr selbstbewusst und auf Augenhöhe mit den Synodalen ausgetauscht haben, war für mich ein Highlight.
Ich freue mich sehr, dass wir gemeinsam das Konzept der Mixed Ecology Church weiter auf den Weg gebracht haben.
Und ich bin dankbar dafür, dass wir trotz sehr unterschiedlicher Einschätzungen einen Beschluss für unsere Kirchliche Hochschule in Wuppertal verabschiedet haben, der Möglichkeiten bietet, evangelische Bildung an diesem Standpunkt zu erhalten und unter den veränderten finanziellen Bedingungen fortzuführen. Mit viel Respekt habe ich das – trotz der Trauer über die einschneidenden Veränderungen spürbare – hohe, immer faire Engagement und die Präsenz sowohl der Studierenden als auch der Mitarbeitenden und der Leitung an allen Tagen der Synode wahrgenommen.
Mehr über die auf der Landessynode getroffenen Entscheidungen erfahren Sie auf der Website landessynode.ekir.de und in der Zusammenstellung synode.info (den Link zum PDF finden Sie unten auf dieser Seite). Die nächste Landessynode findet 2026 wieder in Bonn statt – vom 16. bis 20. Januar.
Unser Foto zeigt v.li.n.re. die Essener Mitglieder der Landessynode Pfarrer David Gabra, Zoe Stelzner, Lorenz Narku Laing, Pfarrerin Juliane Gayk, Julian Pannen und Henning Aretz (hinten) sowie Thomas Caspers-Lagoudis, Helga Siemens-Weibring und Marion Greve (vorn).
Zur Homepage mit umfassenden Informationen über die Landessynode »
PDF ⇓ | Synode.info: Zusammenfassung der wichtigsten Beschlüsse